Mittwoch, 14. Mai 2025

Von Läusen, Schnecken und Pipi

SCHMINCKE HORADAM® Retro Cochenillerot, 15 ml
Von Schmincke gibt es jetzt ein Cochenille-Rot,
nostalgisch verpackt und aus dem Original-
Farbstoff erzeugt, im Preis zwischen P3 und P4

Wie einige traditionelle Pigmente und Färbemittel produziert wurden

Seit der Antike haben Menschen Farben geliebt, und sie haben versucht, sie zu reproduzieren. Was sie im Reich der Blumen entdeckten, ließ sich nicht so einfach auf Textilien oder auf die Malerei übertragen. Es bedurfte teils sehr komplizierter Verfahren, um ähnlich leuchtende Farben zu erzielen. Auch waren unsere Vorfahren im Färbergewerbe anscheinend nicht so geruchsempfindlich, dass sie ihre Versuche aufgegeben hätten. 

Cochenillerot

Es wird erzeugt aus einer Sorte von Schlidläusen, die sich auf Opuntien-Kakteen versammeln, um dort den Saft auszusaugen. Trinkgelage haben ihre Gefahren: Die Läuse werden gesammelt, getrocknet, zermahlen und ergeben denselben kräftig orangeroten Farbstoff, der auch bis heute dazu dient, manchen alkoholischen Getränken dieses schöne Gelbrot zu verleihen, das auch den Aperol Spritz so attraktiv macht.

Safflor, Carthamin

ist als Originalpigment nicht mehr für die Malerei erhältlich, stammt von der Färberdistel. Die Blütenfäden werden als "falscher Safran" bezeichnet, denn bisweilen tauchen sie als Ersatz für den viel teureren Safran, Crocus Sativus, auf. Dieser spielt allerdings für die Herstellung von Malerpigmenten keine Rolle. Er wird heute noch als Mittel zur rituellen Reinigung bei den Tibetischen Buddhisten verwendet und ist kostbares Gewürz, das man meist aber durch Gelbwurz, Curcuma, ersetzt.

Aus der Färberdistel ein rotes Malpigment herzustellen ist ein umständlicher Vorgang, bei dem der Ph-Wert der Substanzen von zentraler Bedeutung ist. Darum haben andere Farbstoffe ihn abgelöst und er spielt nur noch als Lebensmittelfarbe eine Rolle.
Das für den Maler interessante Rot war im dicken Aufstrich kräftig orangerot und wandelte sich beim Verdünnen zu einem reinen Rosarot, fast Pink. Ich habe aus der Erinnerung ein Abbild davon geschaffen.

© Hans Hillewaert

Farbstoff im Schneckentempo

Es braucht Berge von Schnecken und umständliche, geruchsintensive Prozeduren, um ein sauberes Violett herzustellen. Die Purpurschnecke war der Grundstoff für die Gewänder von Königen und römischen Senatoren, und auch da nur im Randstreifen.

Die Bandbreite der Farbschattierungen ist groß. Je nach Verfahren und Eigenschaften der Schnecken reicht sie von Violett-Blau über Lavendel bis zu Pink-Tönen.

Echter Purpur spielt in der Malerei keine Rolle. Reine, brillante Violett-Töne sind aber auch im Zeitalter der Synthetik-Farbe eher selten. Ich mische mir das bislang beste Violett aus einem möglichst reinen Magenta und aus Bright Blue, Coelinblau oder Heliogenblau.

Gequälte Kühe

Bis ins 19.Jh. hatten die Kühe, sonst so heilig gehalten, einen ungesunden Job in Indien: Sie wurden mit Mangoblättern gefüttert, bekamen ansonsten zu wenig Wasser. So zwang man sie, einen goldgelben bis hell orangefarbenen Grundstoff für die Färberei und Malerei zu erzeugen. Man fing den Urin der Kühe auf. Dieser wurde konzentriert, so dass man ein Pulver gewinnen konnte, um zu färben oder Malpigmente zu erzeugen. Indischgelb wird heute aus Ersatzstoffen produziert. Sie stehen der Schönheit und Brillanz des Gelbs von Mangofrüchten in nichts nach. Hier das Indischgelb von Schmincke (Horadam)
https://images.gerstaecker.de/out/pictures/generated/250_250/colors/414148/Indischgelb.jpg


Donnerstag, 24. April 2025

Wie altmodisch — Zeichnen von Hand und nach Augenmaß

Das Zeichnen als Dokument einer Zeit —
heute überflüssig?

"Mein Agnes" — wer kennt sie nicht? Die Ehefrau des Künstlers Albrecht Dürer, hier in einem Schnappschuss noch jugendlich dargestellt, nachdenklich, vielleicht sorgenvoll. Der Erwerb durch Kunst war nicht leicht, das spornte sie jedoch an, eine geradezu moderne Vertriebsmethode der Kunst ihres Gatten zu entwickeln, sie erkannte die Chancen der vervielfältigten Grafik, wozu auch die Erfindung der Corporate Identity, des Logos beitrug, mit dessen Hilfe sie sich auch schon gegen Plagiate wehren konnten und mussten.

Das Zeichnen nach der Natur wurde zum wertvollsten Trainingsfeld für einen Künstler und blieb es bis ins 20..Jahrhundert. Dann hatte sich die Fotografie soweit entwickelt, dass handlichere Apparate und schnellere Belichtungszeiten dafür sorgten, dass der Fotoapparat sich von der schweren Ateliermaschine hin zum gut transportablen Gerät und endlich zur Taschenkamera entwickelte. 

Otto Eduard Pippel,
Studie eines Geigers, 1910-20

Aber auch dann blieb die Handzeichnung noch lange die Grundausbildung der Bildenden Künstler und Künstlerinnen. Aktzeichnen war auch in meinem Studium 1969-76 ein wichtiges Angebot. Und es war für mich niemals Pflichtaufgabe oder gar Qual, sondern machte mir Freude.
Warum eigentlich hat die Fotografie der Zeichnung auch bald 200 Jahre nach ihren ersten Anfängen nicht ein Ende bereitet? Die Fotografie begann sogar, der Zeichnung als Vorlage zu dienen, umgekehrt entwickelte sich eine Reihe von Techniken, mit denen die Zeichnung der Fotografie so nah wie möglich kommen wollte, zum Beispiel im Fotorealismus eines Chuck Close oder Richard Estes.

Banale Feststellung: Zeichnen schult den Blick. Vor wenigen Tagen saß ich in der U-Bahn neben einer jungen Asiatin, die, sobald sie saß, ein Skizzenbuch und einen Beutel Stifte hervorzog, mit deren Hilfe sie einen anderen Fahrgast mit Basecap, Kopfhörern und Handy festhielt. Sie entwarf die Skizze mit hell orangem Fineliner und kräftigte sie, als sie zufrieden war, mit schwarzen und olivgrünen Konturen. Ein kurzes Blättern ließ mich erahnen, dass sie schon eine große Zahl solcher Skizzen in diesem Buch angesammelt hatte. Die Proportionen stimmten nicht, der junge Mann war lange nicht so hoch und schmal, aber das tut nichts, denn ihr ging es offensichtlich um eine Essenz der fahrenden Menschen, um eine Verdichtung des Lebens in einem öffentlichen Verkehrsmittel. 

Baptiste, ein Studienkollege von mir, ca. 1973

Und darum wird das Zeichnen nach der Natur hoffentlich niemals von der Fotografie verdrängt werden. Junge Zeichnerinnen und Zeichner haben oft nicht die Klugheit dieser Künstlerin neben mir. Sie wollen gleich als Chef anfangen; besonders anfällig dafür sind jene, die den japanischen Stilen nacheifern, den Manga und anderen grafischen Novellen. Sie machen sich nicht gern die Mühe mit dem Zeichnen nach der Natur, einem Umweg, wie sie wohl meinen. Sie adaptieren vor allem den Stil, den sie bewundern. Schaut man näher hin, sind ihre Figuren eine Katastrophe, die Details wie Hände, Schultern und Hälse sind grauenvolle Verkrüppelungen, die in dem Bemühen, gotische Längen zu erreichen, furchtbar entgleisen können. Auf Befragen, wie ich das fände, riet ich mal, sich erst einmal in die Natur zu vertiefen, Akt zu zeichnen, Pflanzen, Tiere und Dinge in ihrer Umgebung; die jungen Manga-Fans müssen mich für entsetzlich uncool gehalten haben. Wer gibt sich damit denn ab.