Dienstag, 25. Juni 2013

Die großen Künstlertechniken und ihr Material: Graphit

Bananenbaum --
Bleistiftzeichnung der Autorin

Graphit in Pulverform
Graphit ist eine kristalline Form von reinem Kohlenstoff von geringer Mohshärte, 1-2. Seine Strichfarbe ist schwarzgrau mit metallischem Glanz und wohl das bekannteste Material, das für Zeichnungen verwendet wird.
Die Verwendung von Graphit als Schmuckmittel kann bis in die Steinzeit nachgewiesen werden. Vielfach wurde er als Schutzschicht auf Tongefäße aufgetragen. Nachdem er immer wieder bei Ausgrabungen von keltischen Handelswaren gefunden wurde, taucht er erst im frühen Mittelalter im Osten Europas wieder auf.
Lange konnte man Bleiglanz und Graphit nicht von einander unterscheiden, darum bekamen Zeichenwerkzeuge aus dem silbrig-schwarzen Stift den Namen "Bleistift" und behielten ihn bis in die heutige Zeit. Im Gegensatz zu Blei ist Graphit jedoch vollkommen unschädlich für uns, denn reiner Kohlenstoff findet ja auch als Medikament zur Entgiftung Anwendung. Weiterhin gibt es unendlich viele technische und chemische Anwendungsgebiete für die schwarzgraue Substanz.
Der Bleistift spielte lange Zeit eine untergeordnete Rolle in der Kunst.
Silberstiftzeichnung von Albrecht Dürer
Während der Silberstift wegen seiner Feinheit und Präzision bereits eine eigenständige Aufgabe zugewiesen bekam, nämlich das Mittel für kleine, kostbare und feine Zeichnungen zu werden, blieb der Bleistift ein Skizzenstift neben Rötel, Kreiden und Kohle. Diesen gegenüber besitzt er die bessere Haftfähigkeit an Papier und kann zur Not auch ohne Fixiermittel verwendet werden. Graphit kann in einer einmalig großen Skala von Härtegraden angeboten werden.
Verschiedene Bleistifte
Graphitstifte ohne Holzfassung
Von der blassgrauen, wie geschnittenen Linie der größten Härten über die Bürostifte HB und F zu den weichen, satten, fast fettig glänzenden Qualitäten finden wir jede Nuance für das künstlerische Temperament oder das geplante Projekt. Bleistiftzeichnungen können so subtil und exakt ausgearbeitet werden, dass fotorealistische Darstellungen möglich werden. Wenn die Bleistiftzeichnung als eigenständiges Kunstwerk stehen soll, empfiehlt sich die Fixierung.
Außer dem klassischen Bleistift werden auch bei uns viele Varianten von Stiften angeboten, die über die bekannte Form des in Zedernholz gefassten Stiftes hinausgehen.
Verschiedene Graphitstifte
Es gibt dickere oder feinere Stifte aus reinem Graphit, kräftig und massiv, nur umhüllt von einer Lackschicht, bis hin zu zigarrendicken "Chunks" oder haarfeinen Minen für Druckstifte bis zu einer feinsten Stärke von 0,2 mm.
Graphitminen für Halter, Anspitzer,
Blöckchen mit Sandpapier zum
Schärfen der Spitze
n


 Es gibt vierkantige Stifte und Blöckchen mit rechteckigem Querschnitt, die einen raschen Auftrag von flächigen Schattierungen erlauben, und Zimmermannsbleistifte mit rechteckigem Querschnitt. Papierwischer sind ein bewährtes Werkzeug zum Vertreiben des Graphit, denn der Finger ist dafür kein zuverlässiges Hilfsmittel, er hinterlässt Flecken und verfärbt den Graphit durch das Fett der Haut.
Knet-Radiergummis
Auch ein Knetgummi ist  nützlich: Es erlaubt, Teile der Zeichnung abzuschwächen, anstatt sie ganz zu entfernen.

Papierwischer zum Anlegen
von weichen Schattierungen





Die Graphitzeichnung bleibt immer ein wenig silbrig-grau und reflektiert das Licht. Ein tiefes Schwarz erzielen wir eher mit Kreiden oder Kohle, während die Reproduzierbarkeit von Bleistift- und Graphitzeichnungen als eher schwach bezeichnet werden muss.

Montag, 10. Juni 2013

Neue Pigmente -- strahlende Töne

Purgier-Kreuzdorn (Rhamnus catharticus)
 Nachdem wir nun so lange von traditionellen Farben gesprochen haben, möchte ich Ihnen heute ein paar ungewohnte Farbtöne vorstellen, die von einer Veränderung der Sehgewohnheiten in der Kunst Zeugnis ablegen. Bezeichnungen werden oft geändert, Pigmente werden laufend verbessert. Es lohnt sich, bei allen Herstellern nach neuen Produkten Ausschau zu halten, man kann wunderschöne Entdeckungen machen. Ich stelle heute einige wenige davon vor. Sie ersetzen alte Pigmente -- oder sie bereichern die Palette durch Neuheiten.

Quinacridon: Knallige Farben aus der Retorte

Problem oder Vorteil? Ein richtiges Shocking Pink ist in den Malkästen vor der Übernahme der Quinacridon-Verbindungen nicht vorhanden gewesen. Die Vorläufer des Impressionismus und die Impressionisten befreiten die Maler von dem Zwang, Farben gebrochen zu verwenden, und erst recht die Fauves strebten nach einem Ausbrechen aus den gedeckten Tönen der akademischen Malerei. Sie hatten bereits leuchtende Töne zur Verfügung, und sie steigerten so sehr, dass sie sich Hohn und Spott der Zeitgenossen gefallen lassen mussten. Zinnoberrot, Chromoxydgrün feurig oder Indischgelb, die Palette war schon recht kraftvoll, erst recht, wenn man sie mit dem ruhigen, gedeckten Kolorit vergleicht, das das Publikum gewöhnt war. Selbst zwischen den frühen Bilder eines Auguste Renoir, den wir schon zu den Impressionisten rechnen, und der klassischen Moderne liegt ein großer Schritt in der Behandlung der Farbe.
Aber als wäre das noch nicht bunt genug, griff die Pop-Art in den frühen Sechzigerjahren des 20. Jh. in die Kiste mit dem Pink. Jetzt war eine Grenze überschritten. Wiewohl Shocking Pink technisch seit den Dreißigerjahren machbar war -- denn die Quinacridon-Synthese war 1935 gelungen --, schrecken viele Künstler bis heute davor zurück, es in ihren Bildern auftauchen zu lassen, während kleine Mädchen mit diesem Farbton in Plastik und Textil hemmungslos ihre Welt gestalten.
Winsor&Newton haben die Konsequenz gezogen, sie bieten einige sehr reine Magenta-/Pink-/Rosenrottöne an, die leuchtendste unter der Bezeichnung "Opernrosa". Mein Scanner war so geschockt, dass ich die Probe nachbearbeiten musste. Das Theatralische dieser Farbe wird wahrscheinlich von vielen Freunden der klassischen Malerei als "kitschig" angesehen. Es wird für Blumenmalerei angeboten, und in der Tat schrecken Bauernrosen und Alpenveilchen ja vor nichts zurück. Aber wem das zu krass ist, der kann das Bild in die Sonne hängen, das Opernrosa gibt dann ein wenig nach.
Der bedeutendste deutsche Hersteller für Aquarellfarben bietet ein Magenta und ein Rotviolett aus der Quinacridon-Skala an; sie sind ein wenig gedeckter als die in Großbritannien hergestellten Entsprechungen.

Magenta, Purpur und die Grundfarben

Die Zurückhaltung gegenüber Shocking Pink geht so weit, dass bis heute die Pädagogen zu Malkästen raten, in denen es nicht enthalten ist. Ein zäher Kampf scheint da zwischen den Endverbraucherinnen und ihren Erziehern zu toben. Und auch bei den Kunstlehrern ist der Aberglaube unausrottbar, Blau, Rot und Gelb seien Grundfarben. Dabei kann jeder selber ausprobieren, dass das Violett, das man aus Rot und Blau ermischen kann, ein Trauerspiel ist. Die Drucker wissen es schon lange: Nur aus Magenta, wie das Pink in der Drucktechnik heißt, kann man ein reines, strahlendes Violett ermischen, mit Karminrot oder gar Zinnoberrot ist das im Leben nicht möglich.
Das aus Zinnoberrot ermischte "Violett" ist ein schmutziges Braunviolett, mit Karmin klappt es nicht wirklich, nur das Magenta ist die Gewähr für ein brauchbares Ergebnis. Gegenprobe: Magenta plus Gelb bewirkt ein recht passables Rot.

Perylen: Die Schönheit aus der Grube

Perylenviolett
Purple Lake
Ein weiterer Lieferant interessanter Pigmente ist ein Bestandteil von Teerkohle. Es wurde zum ersten Mal 1919 isoliert, aber die Farbstoffe daraus sind neuerer Herkunft. Winsor&Newton macht daraus ein hinreißendes Aubergine, das Perylene Violet. Das Perylene Maroon ist ein wunderbar warmer, rotbrauner Transparentton, ähnlich sieht das Purple Lake aus.

Goldgrün: Edler Farbton mit unedlem Namen

Könnte man sagen, ein Modepigment? Das sehe ich nicht so; vielmehr musste in den Skalen der Platz des Pigments "Stil de Grain" ausgefüllt werden, ein lasierendes Gelbbraun mit einem Grünstich oder rötlichen Braunstich -- "Stil de Grain vert" oder "Stil de Grain brun". Diese Farbe wurde aus frischen Früchten des Purgier-Kreuzdorns (Rhamnus catharticus) hergestellt, inzwischen ist sie als Originalpigment nicht mehr verfügbar. Der Strauch liefert auch ein Abführmittel, was dem Farbstoff einen drastischen Namen verlieh.
Der Farbton war in der Landschaftsmalerei unentbehrlich. Das neue Goldgrün oder Grüngold, je nach Anbieter, nimmt seinen Platz recht gut ein und zeigt sich vielseitig durch seine Transparenz, die es in dünnem Auftrag als strahlendes Zitron und im dickeren Auftrag als Olivton erscheinen lässt. "Azo-Nickel-Komplex mit Ruß" ist die Herstellerbeschreibung für das Rezept.

Rose Carthame, Safflor: Die stachelige Schöne

Aus der Färberdistel wurde ursprünglich ein Rosarot gewonnen, das im intensiven Auftrag orangerot und in der Verdünnung zart pink aussah. Leider ist dieser Farbton anscheinend nicht mehr erhältlich. Einen passenden Ersatz bietet Winsor&Newton zwar an, aber er kommt nicht an das Original heran.
Die nachstehende Probe ist eine Rekonstruktion aus der Erinnerung.



Farbkarte von Schmincke, ich empfehle, sie zu speichern und dann zu öffnen, anstatt sie online zu betrachten.

Farbkarte von Winsor&Newton, auf diesen Proben als W&N bezeichnet.

Montag, 3. Juni 2013

Farbe der Woche: Rötel und andere Kreiden

Rötelzeichnungen des französischen Kunsttischlers André Charles Boulle, 
um 1720–1730

Jean Etienne Liotard,
"Türkische Dame und ihre Dienerin",

ca. 1740


Rötel

Rote Erden waren während der gesamten Menschheitsgeschichte ein billiges und beliebtes Mittel, mit dem der Mensch seiner Umgebung und sich selber Farbe verlieh. Im alten Rom und Pompeji zeichnete man vielfach mit Rot direkt auf die Wände, teils als Vorzeichnung für die Wandmalerei, teils ließ man die Zeichnungen und Beschriftungen in dieser Form stehen.
Rötel ist ein in Brocken verfügbares  Erdpigment, Hämatit in Tonerde, durch Grabungen gefunden, u.a. im Saarland. Hier finden Sie eine große Zahl von Bildern.
Rötel wurde in Form von länglichen Stücken benutzt und war wegen seinem kräftigen, warmen Farbton Standardmaterial für Skizzen und Zeichnungen.
Es handelt sich um ein leicht fettiges Material (anders als der heute im Handel erhältliche Rötel) mit erdig-kreidigem Strich. Er war seit der Antike als Skizzenstift sehr beliebt.
Rötel- und Kreidezeichnung 
aus der Werkstatt Holbeins,
vermutlich Ann Boleyn darstellend, 
eine der Gattinnen Heinrichs VIII


 
Viele Künstler vergangener Jahrhunderte fertigten Kreide- oder Rötelzeichnungen auf getönten Papieren an. Wenn man hier mit weißer Kreide Lichter aufsetzt, also "höht", dann entsteht mit wenig Arbeitsaufwand, fast von selber, eine Tiefe, die von Albrecht Dürer, Hans Baldung Grien und vielen anderen Zeichnern effektvoll genutzt wurde.

Mit farbigen Kreiden wurde schon lange skizziert, doch galt eine solche Arbeit nur als Vorstudie, nicht als eigenständiges Kunstwerk. Die Palette war beschränkt, aber das war für die Anwendung in Skizzen kein Nachteil. Hier kam es darauf an, preisgünstige Mittel zu verwenden, so wie wir es schon im Kapitel über Bister und Sepia hörten. Auch schätzten reisende Künstler den praktischen Wert und die leichte Beschaffbarkeit solcher Farben. Von Leonardo da Vinci sind uns zahlreiche Skizzen in Rötel erhalten geblieben, die bei ihm möglicherweise mehr bedeuteten als nur Vorzeichnungen.

Die Porträts, die Holbein von den Frauen Heinrichs VIII anfertigte, die charmanten Zeichnungen des Rokoko, auf denen Jean-Etienne Liotard elf Kinder der österreichischen Kaiserin Maria-Theresia festgehalten hat, zeigen: Kreiden und Rötel sind das gegebene Mittel für Porträts, weil sich ebenso zarte Schattierungen durch Verwischen anlegen lassen, wie auch die schwarze Kreide kräftige Pupillen zu zeichnen erlaubt.

Jean-Étienne Liotard (1702--1789), Porträt
der jugendlichen Marie-Antoinette
Auch beim Aktzeichnen ermöglicht die Kombination von Rötel und schwarzer oder brauner Kreide ebenso einen sicheren Strich wie weich modellierende Schatten. Bis in die heutige Zeit stehen den Künstlern Kreiden, Kohle und Rötel für ihre Naturstudien zur Verfügung.

Zeichenkohle und schwarze Kreide

Kohle ist der einfachste Stoff für Zeichenstifte. Wir bieten Zeichenkohle an, sorgfältig und langsam verkohlte Holzstäbe, ein sehr natürliches und ursprüngliches Material. Kohlezeichnungen müssen unbedingt fixiert werden, aber der Vorteil ist die Möglichkeit, großzügig und spontan im großen Stil skizzieren zu können. Heute können wir uns auf Fixiersprays stützen, etwas ursprünglicher ist das flüssige Fixativ, das mit einem rechtwinkligen Blasröhrchen auf das Papier aufgebracht wird -- preisgünstiger als Sprays, aber schwerer zu handhaben. Für das Aktzeichnen vor dem lebenden Modell ist Zeichenkohle eines der klassischen Mittel. Sie behauptet sich auch deshalb gegenüber dem Bleistift, weil die Graphitmine einen Glanz aufweist, der bei der Reproduktion stört und immer ein wenig grau statt tiefschwarz aussieht. Ebenso charaktervoll wie Kohle und im Schwarz noch intensiver ist Kreide. Sie erhalten bei uns eine feste Kreide in Vierkant-Stangen, die aus rotem, braunem oder schwarzem Pigment bester Qualität gefertigt ist. Auch als Buntstift können Sie die Farben erhalten, mit denen Sie die Techniken und Arbeitsweise der Künstler vergangener Jahrhunderte nachvollziehen können.
Aber das ist schon wieder ein anderes Kapitel.

Schwarze Zeichenkreiden, Holzhalter
Rötelähnliche Buntstifte